Argumente für mehr Jugendbeteiligung in Gremien bei Kirche

Stell dich auf, lass dich wählen!

Bei den Gemeindevertretungswahlen der Evangelischen Kirche in Österreich.

Das Presbyter*innenamt steht seit dieser Wahl allen ab 18 Jahren offen. 
Keine Sonderregeln mehr, sondern neue Normalität. Das ist ein erstes Zeichen an die junge Generation.


NEU!! Seit der Generalsynode 12/23: die diözesane Jugendversammlung

Die Generalsynode hat am 9.12.2023 in Eisenstadt eine Änderung des Kirchenrechts betreffend einer Verjüngung der kirchlichen Gremien beschlossen.
Das Ziel dieser Gesetzesänderung ist es, zukünftig in den kirchlichen Gremien aller Ebenen eine Beteiligung junger Erwachsener von zumindest 10 % zu erreichen.
Dafür wurde die "diözesane Jugendwahlversammlung" ins Leben gerufen.

[ alle Infos und das entsprechende HowTo "diözesane Jugendwahlversammlung" findest du hier ... ]


Hier findet ihr einige Argumente pro mehr Jugendbeteiligung in Gemeindevertretung und Presbyterien...Wir erheben hier weder den Anspruch, das Rad neu erfunden zu haben, noch Patentrezepte für alle Gemeinden in ganz Österreich entdeckt zu haben. Gott bewahre!
Dafür ist die Gemengelage in Österreich viel zu vielfältig und jede Gemeinde steht vor ihren ganz eigenen Herausforderungen, hat aber auch ihre eigenen Erfolgsrezepte in petto. Teilt beides gern mit uns!
Wir als EJÖ möchten dazu anregen, dass die Debatte über mehr generationengerechte Entscheidungen in kirchlichen Gremien offen geführt wird.

Schön wäre, wenn möglichst viele von Ihnen und euch miteinander darüber in den Austausch kämen, was der Kirche strukturell helfen könnte, ihrem eigenen Anspruch nach Repräsentanz möglichst vieler Kirchenmitglieder, ihrer Lebens- und Glaubenswege, gerecht zu werden.
Widerspruch, Ergänzungen, neue Denkanstöße und auch Verbesserungsvorschläge sind sehr willkommen!
Wir freuen uns, von Ihnen und euch zu hören oder zu lesen.

Kontakt: 

office(at)ejoe.at / 0699-18877084 - Bettina Növer, Jugendpfarrerin f. Ö. / 0699-18878095 - Benedikt Schobesberger, Vorsitzender

01 - theologisch

Wenn wir in die Bibel schauen, wird uns schnell klar, dass für Gott unsere menschlichen Kategorien von „jung und alt“ nur sekundär sind und er stets auf den einzelnen Menschen und seine Fähigkeiten schaut. Gott geht es um ein gerechtes Miteinander der Generationen, das zeigt sich schon beim Elterngebot in den zehn Geboten.

Beispiele:
  • Abraham und Sarah – zu alt, um einen Neuanfang in einem anderen Land zu wagen, Kinder zu bekommen und ein ganzes Volk zu begründen? - nicht für Gott!
  • Maria und Josef mit ihren vermutlich süßen 15 und 17 Jahren – zu jung, um so viel Verantwortung zu tragen und dem Sohn Gottes ein sicheres Zuhause und eine liebevolle Familie auf Erden zu bieten? – nicht für Gott!
  • David als schmächtiger Hirtenjunge war mit seinen 16/17 Jahren ebenfalls nicht zu jung, um sich großen Aufgaben zu stellen; ebenso wie der bereits mittelalte Mose längst nicht zum alten Eisen gehörte, als Gott ihn berief, das Volk Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten zu führen.
  • Paulus achtete ebenfalls in seiner Mitarbeiter*innenschaft auf einen Personalmix aus jung und alt, aus Frauen und Männern. Was uns in der Bibel und von Gott immer wieder vorgelebt wird, sollten wir in unserer Kirche innerhalb unserer Leitungsämter ebenfalls beherzigen und versuchen, in die Realität zu heben.

Hierfür einige Denkanstöße zu liefern, dazu dient dieser Argue-Liner.

Argumente aus theologischer Sicht

„Voller Freude und in aufrichtiger Herzlichkeit sind sie beieinander.“

Apg 2, 42ff

Apostelgeschichte 2 wird oft herangezogen, um auf die Gütergemeinschaft und die Wichtigkeit des Teilens in christlichen Gemeinschaften hinzuweisen.
Warum die Gemeinschaft der ersten Christ*innen jedoch auch noch als so vorbildlich und dem Ideal- zustand nahe gilt, wird dabei oft übersehen, weil viele von uns bei der Gütergemeinschaft schon nicht mehr mitkommen: Es geht darum, einander aufrichtig ernst- und wahrzunehmen und das Miteinander der Generationen nicht als Pflichtaufgabe zu verstehen, sondern Freude daran zu entwickeln.

Die Bibel nimmt oft die ganz Jungen und die ganz Alten in den Blick; also die Menschen, die in der Gesellschaft oft überhört werden - z.B.: Abraham und Sara (alt), Josef und Maria (jung).

Quereinsteiger*innen werden von Gott oftmals berufen (z.B.: Amos, Jeremia, David, Ruth):
Gott nimmt bewusst die Menschen, die nicht schon zum Establishment gehören und demnach durch das System verblindet sind, um sein Wort zu verkündigen.
Begeisterung toppt (manchmal) Erfahrung.
Die Erfahrenen haben wir bereits. Die Begeisterten wären bereit, sich einzubringen – wenn man sie denn ließe.

“Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind…"

Mk 10, 13-16:

Auch und gerade Kinder bzw. junge Menschen haben Kompetenzen, die sie in eine Glaubensgemeinschaft einbringen können. Das sollte sich auch im Leitungs- handeln widerspiegeln.

„Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit.“ 

1 Tim 4, 12

Wie schon Paulus seinen offensichtlich jungen Mitarbeiter Timotheus ermutigt, so gilt auch bis heute:
Leitungshandeln ist nicht durch das Alter nach unten begrenzt.
Im Gegenteil, etwas früher in Vers 8 redet Paulus sogar – zugegebenermaßen etwas inflammatorisch - von „Altweiberfabeln“.
Es geht beim Leitungshandeln um den Charakter der Menschen, nicht ihr Alter.
Paulus traut seinen Mitarbeitenden auch in jungen Jahren schon einiges zu. Daran dürfen wir uns guten Gewissens also ebenfalls orientieren.

“Ein Leib, viele Glieder.”

1 Kor 12

Alle Gaben werden wahr- und ernstgenommen: Warum wird das Potential der Jugend dann an der Stelle nicht abgeschöpft?
Es ist, als wenn man das Herz, welches das Leben durch die Adern pumpt (=Selbstverortung einer 18 Jährigen auf einem der Workshops zur Kampagne „Stand up 4 Change“ in diesem Bild aus der Bibel), absichtlich ignorieren würde. Geht es dem Herzen nicht gut, holen wir den Notarzt/die Notärztin.
Warum schauen wir dann nicht darauf, dass es der Jugend gut geht – sonst ist der ganze Körper in Gefahr.

Gott spricht zu Jeremia: „Sag nicht, du bist zu jung, sondern geh, wohin ich dich sende…“

Jer 1, 4-8

Jugend als Zustand war und ist für Gott nie ein Problem gewesen, wenn es um die Übernahme verantwortungsvoller Ämter geht.

Wir propagieren – gerade auch in Abgrenzung zur katholischen Tradition – das „Priestertum aller Gläubigen“.
Zum Aufgabenbereich eines Priesters gehört es auch, Verantwortung für das Gedeihen der Gemeinde zu übernehmen.
Warum sollten junge Menschen hierzu keinen Beitrag leisten können? Das ist ekklesiologisch nicht haltbar.
Unsere Kirche ist nach Selbstanspruch eine „ecclesia semper reformanda“ – sie ist also darauf angewiesen und auch ausgelegt, dass sie sich selbst ständig hinterfragt und verändert.
Wer bestehen möchte, muss sich verändern.
Dieses Veränderungspotential können vor allen Dingen junge Menschen heben.
Ihr Hinterfragen und ihr Wunsch, Dinge anders zu machen, mag im ersten Moment mühsam und nach Mehrarbeit klingen, bereichert jedoch auf lange Sicht die Arbeit der Gemeinden und führt zu einer generationengerechteren und damit qualitativ höher- wertigen Arbeit der Presbyterien, respektive der Synoden.

02 - (kirchen-)politisch

Es tut unseren basisdemokatisch orientierten Prozessen gut, wenn so viele Sichtweisen wie irgend möglich in die Debatte eingespeist werden können. Für eine möglichst breite Gruppe an Kirchengliedern sollte Zugang zu Entscheidungsspielräumen gewährt werden, auf dass sie im Idealfall schon in jungen Jahren Selbstwirksamkeit spüren und diese Kirche zu ihrer Kirche machen können. Es darf nicht erst bis Mitte 30 oder 40 dauern bis man genug Vertrauen aufgebaut hat, um mit seinen Ideen Gehör zu finden.
Nicht jede Idee ist gut und man darf auch den Erfahrungswerten vorheriger Generationen vertrau- en, keine Frage; jedoch gilt stets das biblische Prinzip des Kairos: Für jede Idee braucht es den idealen Zeitpunkt; demnach: Etwas, was vor 20 Jahren eine gute Idee war und Antworten auf dringende Fragen geliefert hat, könnte heute überkommen sein und andersherum eben auch. Jede Generation muss die Chance bekommen, das immer wieder neu für sich zu überdenken und neu zu verhandeln – so mühsam das für die vorherigen Generationen auch zu beobachten sein mag!
Denn: Die sichtbare Kirche als Organisation hat keinen Selbstzweck, sondern sie muss, darf und soll Menschen dabei helfen, Zugang zum Glauben zu finden und kann nur von Menschen und mit Menschen gemeinsam gestaltet und weiterentwickelt werden, auf dass jede Generation für sich auf´s Neue die Chance bekommt, Glaubensinhalte auf die ihr gerecht werdende Weise zu erfahren und umzusetzen.

Argumente aus (kirchen-)politischer Sicht

Überlegungen, wie Jugendbeteiligung in der kirchlichen Gremienlandschaft und demnach in der DNA von Kirche tiefer verankert werden kann, sowie Gesetzesänderungen, die konkrete Maßnahmen in diese Richtung vornehmen, liegen im deutschsprachigen kirchlichen Kontext derzeit in der Luft und werden in mehreren Landeskirchen getätigt.1

Von diesen Überlegungen können auch wir uns inspirieren lassen und für den österreichischen Kontext eigene Lösungswege ausprobieren.
 

1 Siehe [Blick über den Tellerrand].

Repräsentanz bedeutet auch die 80.000 evangelischen Menschen zw. 0-30 Jahren abzubilden und zwar in allen Gremien:
Gemeindevertretungen, Presbyterien, Superintendentialversammlungen und den Synoden.

Eine 20%-Klausel für junge Menschen in allen kirchlichen Gremien gibt es im Lutherischen Weltbund eigentlich schon seit der 7. Vollversammlung von 1984: Wir bleiben demnach – ähnlich wie bei den Klimazielen – seit Jahrzehnten hinter dem eigenen Anspruch zurück.2


2 Siehe [Blick über den Tellerrand].

Wer junge Menschen im Presbyterium zulässt, sichert die Wissensübergabe über mehrere Generationen.

„Hoch-Dienen“ bis man dann etwas entscheiden darf, ist ein Prinzip aus einer anderen Zeit.
Dieser Wert wird von der jungen Generation aktiv hinterfragt und das muss wahrgenommen werden.
Zudem wird die Generation der Babyboomer stets stärker sein als die nachfolgenden Generationen. Das heißt, sie haben und behalten derweil die Entscheidungsmacht an der Wahlurne bei Gemeindevertretungswahlen.
Daher muss darauf bewusst und mit Maßnahmen geachtet werden, dass die Generationengerechtigkeit gewahrt bleibt.

Zum Beispiel gibt es schon jetzt viel weniger Erst- als Letztwähler*innen 3

  • 7,1%: 14-19 Jahre (Erstwähler*innen)
  • 20,5%: 70 Jahre und älter (etwaige Letztwähler*innen)

3 Die Daten gelten für Deutschland und sind folgender Seite entnommen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/ 1037080/umfrage/alter-der-personen-die-mitglied-in-einer-kirche-religionsgemeinschaft-sind-2019/
(Stand: 07.02.2023)

Das Presbyterium soll ein Abbild der Gemeinde sein. Dann muss auch die Jugend vorkommen. Sie ist Teil der Gemeinde, auch wenn man sie nicht immer sieht.
Der Jugend ihr Nicht-Erscheinen vorzuhalten, führt jedoch nicht weiter, viel eher muss Ursachenforschung betrieben werden.

Junge Menschen können authentischer berichten, was für ihre Altersgruppe interessant wäre. So können neue Angebote zielgerichteter geplant werden.
Wer junge Menschen im Presbyterium hat, hat sozusagen Expert*innen der gewünschten Altersgruppe(n) direkt bei sich und genießt einen Premiumzugang.

Oft wird die Befürchtung geäußert, dass dann nur noch junge Menschen und Quereinsteiger*innen in den Gremien säßen und so keine langfristigen Kompetenzen mehr vorhanden wären. Eine Kontinuität müsste gewährleistet sein, so der Einwand.
Dem kann ganz beruhigt entgegengehalten werden, dass es sich hier um wenige Quereinsteiger*innen und junge Menschen handelt und der Großteil der Menschen, die unsere Gremien bestücken, auch weiterhin – schon aus demografischen Gründen – aus einer anderen Altersklasse kommen wird. Die Erfahrenen müssen ebenfalls umworben und wertgeschätzt werden, keine Frage, aber sie sind schon da – sonst säßen Sie alle vermutlich nicht hier.
Jetzt geht es darum, ein bisschen Raum zu schaffen für weitere Menschen, die möglicherweise nicht auf klassischem Wege zum Presbyter*innen-Amt oder in die Synode kommen können bzw. wollen.
Dass wir hier Raum schaffen, ist jedoch kein Gnadenakt, sondern purer Überlebenssinn.
Denn so, wie die Zusammensetzung in den Gremien bis jetzt vonstattengeht, ist Kirche nicht genügend vorbereitet auf die gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozesse. Ohne ein generationengemischteres Team in allen Gremien werden wir keine Antworten auf die Fragen unserer Zeit entwickeln können. Wir brauchen dafür die Bandbreite der Generationen.

Unser System ist auf Erhaltung und Gleichgesinnte ausgerichtet. Das ist unfair, weil so nie neuartige Ideen Platz bekommen.
Strukturkonservativismus führt zu Erstarrung. So muss sich stets das Neue rechtfertigen und das Alte hat Bestandsschutz.
Eine derartige Haltung führt zu einer Diskussion im Ungleichgewicht.

Junge Menschen hinterfragen Theologie und kirchenpolitische Entscheidungen im Hinblick auf ihre Zukunft; demnach stehen sie für nachhaltige Entscheidungen mit Tiefgang ein und werden „quick fixes“ durchschauen. Das hebt die Qualität der Entscheidungen der Synoden.

03 - persönliche Zugänge & Statements

Hier können nur im Ansatz ein paar O-Töne und biographische Stolperfallen aufgezeigt werden, die allgemeine Entwicklungen in den Blick nehmen.
Wir als EJÖ können nur dazu ermutigen, dass Sie mit ihren jungen Menschen vor Ort das Gespräch suchen und schauen, was die genauen Hinderungsgründe vor Ort sind.
Oder eben andersherum: Warum es bei Ihnen vor Ort besonders gut läuft und Sie das ganze Zinnober gar nicht verstehen, weil bei Ihnen eh schon drei bis vier Presbyter*innen unter 30 Jahren vorhanden sind. Umso besser! Dann verraten Sie uns gern Ihr Erfolgsrezept!
Und wenn Sie sich nun händeringend und Haare raufend fragen: Ja, welche jungen Menschen – wenn wir welche hätten, würden wir sie gern wählen?!
Dann sei darauf erwidert: Kommen Sie gern ins Gespräch mit uns oder der EJ in Ihrer Diözese. Man muss die Welt nicht gleich heute retten, aber wenn Sie in der Argumentationshilfe schon bis hierhin gelesen haben, scheinen Sie persönlich oder Sie als Gremium sich bereits in einer aufrichtigen Suchbewegung zu befinden. 
Herzliche Gratulation, das ist auf jeden Fall ein sehr guter erster Schritt!

Welche Tipps und Tricks es zum Auf- oder Weiterbau einer nachhaltigen Jugendarbeit vor Ort gibt und wie Gremienarbeit für junge Menschen attraktiver gestaltet werden könnte, dazu gehen wir gern mit Ihnen und euch gemeinsam in den Austausch.
Uns geht es nicht um Standard-Antworten und -lösungen „von oben“, sondern um individuelle Lösungen für jede Gemeinde vor Ort. Was auch immer für Sie/euch hilfreich ist!

Argumente aus persönlicher Sicht

Jugendliche haben oft das Gefühl, aktiv von Gremienarbeit abgehalten zu werden.

„Sie sehen einfach nicht, wozu wir jetzt schon fähig wären.“ - Thomas, 28 J.

Man darf jungen Menschen etwas zutrauen und muss sich nicht ihren Kopf zerbrechen, ob sie das mit Beruf/Studium vereinbaren können. Bei der EJÖ/den EJs packen sie es auch!

Es wird leider immer noch massiv unterschätzt, wieviel Personalverantwortung und auch Haushaltsübersicht Teile unserer jungen Menschen bereits in den verschiedenen Gremien der EJs gesammelt haben.
Über Jahreshaushalte abstimmen, Personalverant- wortung übernehmen und auch Mitarbeiter*innen-Konfliktgespräche führen – all das ge- schieht in den einzelnen Gremien der EJs schon jetzt.

Manchmal wird als Argument vorgebracht, dass es für junge Familienväter und -mütter schwierig sei, sich in Gremien zu engagieren.
Dem kann entgegengehalten werden:
Es ist immer nur eine*r im Presbyterium, so dass jede Familie sich entscheiden kann.

Zugehörigkeitsgefühl und Bindung entstehen mit dem Eindruck, mitgestalten zu dürfen (Selbstwirksamkeit). Das bezieht sich auch auf Advocacy und nicht nur das operative Geschäft. Manche junge Menschen können und wollen mehr als „nur“ einen Jugendkreis anbieten. Da jedoch oftmals keine Selbstwirksamkeit gespürt wird, wenden sich junge Menschen ab.
In der Generation der sog. “Babyboomer” war es normal, dass man sich innerhalb seiner Karriere hocharbeitet. Diese Art des Hocharbeitens wurde auch auf das Ehrenamt übertragen. Nachfolgende Generationen haben dies jedoch stets als unfair und auch nicht ihrer Lebenssituation entsprechend wahrgenommen.
Die Globalisierung z.B. hat dazu geführt, dass die Gen Xer und Yer viel mobiler sein mussten, sich immer wieder an neuen Orten neue Netzwerke aufbauen mussten. Das „Hocharbeiten“ in einem Sozialraum war für sie nicht möglich und auch nicht erstrebenswert.
Projektartiges Engagement oder überschaubare Zeiträume von 2-3 Jahren dagegen schon.
Unsere aktuellen Presbyteriumsstrukturen sind nur aufrechtzuerhalten, wenn man mit wenig Zu- und Wegzug rechnet und sehr stabile berufliche Verhältnisse voraussetzt, welche mit befristeten Arbeitsverträgen heutzutage jedoch gar nicht immer voraussetzbar sind.4
Es ist also auch eine sozioökonomische Hürde, sich in einem unserer Presbyterien zu engagieren – nicht nur, aber auch für junge Menschen.
Das entspricht nicht unserem eigenen Kirchenverständnis, eine Kirche für alle Alters- und Gehaltsklassen zu sein.


4 https://www.trend.at/wirtschaft/millennials-dilemma-11313774
(Stand: 09.02.2023)

Junge Menschen nur im operativen Geschäft (z.B. vor Ort im Jugendkreis) zu belassen, entmündigt sie. „Sie an der Stelle zu schonen“, ist Bevormundung.
Denn: Sie bringen sich ehrenamtlich an vielen Stellen in unserer Kirche und in unseren Gemeinden landauf landab mit viel Herzblut ein, opfern ihre Freizeit, stellen ihre Gedankenkraft zur Verfügung und empfinden es als „schmerzlich unfair“ (O-Ton), dass sie dann nicht mitbestimmen dürfen.
In der Welt der Erwerbstätigen hat jede Gruppe an Arbeitnehmer*innen eine MAV. Warum gibt es eine solche Interessensvertretung für junge Menschen nicht in jeder Gemeinde? „Dann ist der Arbeitsmarkt ja fairer aufgebaut als die Kirche?!“ (Original-Ausruf der Empörung einer Jugendlichen)
Dementsprechend wäre es viel gerechter, die Gremienkultur zu überdenken und so zu verändern, dass junge bis mittelalte Menschen Freude daran haben, sich in unsere Gremien einzubringen und dort auch ernstlich Gehör finden.
Obacht: Sie dabei „einzuschleifen“ auf unsere Spielregeln (die schon uns selbst oft nicht gefallen) ist unfair und nicht zugewandt.

Junge Menschen trauern einer großen Kirche nicht nach und sind demnach krisenresistenter, weniger mit Trauerprozessen beschäftigt und somit emotional unberührter als die ältere Generation. Sie können daher rationaler zukunftsträchtige Entscheidungen treffen und der Rolle als weichenstellende Führungskräfte mit Visionen (wie sie für Gemeindeleitungen intendiert ist) besser nachkommen.

  • „Weniger ‘Boomersplaining’, mehr Kontakt auf Augenhöhe“
    Felix, 27 J.
     
  • „Wir müssen die Entscheidungen der Kirche am längsten tragen und ertragen, da sollten wir sie auch mittreffen oder zumindest mitdiskutieren dürfen – fair is fair.“
    Pia, 21 J.
     
  • „Ich bin mit meinen 26 Jahren ziemlich gut aus- und vorgebildet, habe mir durch das Studium so einige (technische) Kompetenzen erworben, werde in der Außenwelt auch als kompetent wahrgenommen, jedoch von meinem Presbyterium nicht. Da stimmt doch etwas nicht. Wo kommt dieser Generalverdacht gegenüber jungen Menschen her?“
    Anonym
     
  • „Ich träume von einer Kirche, die junge Menschen fair repräsentiert und gut einbindet.“
    Ben, 20 J.
     
  • „Erfahrungen sammelt man am besten im direkten Umgang mit der Materie.“
    Benedikt, 20 J.
     
  • „Leider stelle ich aber (viel zu oft) fest: … (a)lte Strukturen bleiben ohne ersichtlichen Sinn weiter bestehen, an alte und vor allem veraltete Formate wird sich geklammert und es wirkt, als ob schwer einzusehen ist, dass Einiges nicht mehr so viel Anklang findet wie früher.“
    Samuel, 24 J. 
     
  • „Die Jugendarbeit wäre für mich in dem Bild aus 1. Korinther 12 mehr so das Knie. Da kümmert man sich nicht sofort drum, weil es zunächst vermeintlich nicht überlebenswichtig scheint, aber wenn das Knie nicht mehr funktioniert, wird es ziemlich schmerzhaft und der gesamte Bewegungsapparat bricht zusammen. Daher sollte sich die Kirche meines Erachtens nicht „selbst ins Knie schießen“ und der Jugendarbeit besonders viel Aufmerksamkeit und Ressourcen zur Verfügung stellen.“
    Olli, 26 J.
     
  • „Ich träume von einer offenen, lebendigen Kirche mit gesunder Diskussionskultur und offenem Dialog.“
    Samuel, 24 J.